Reise in die Vergangenheit: Silberschmidt-Nachkommen besuchen Reken

Samuel Silberschmidt, ein Mitbürger jüdischen Glaubens, wurde 1881 in Groß Reken geboren. Der angesehene Viehhändler war unter anderem Mitbegründer der Rekener Feuerwehr und Soldat während des 1. Weltkriegs. Der mit seiner in den 1940-ern nach Auschwitz deportierten und dort umgekommenen Frau Rosa und seinem Sohn Fritz in einem eigenen Haus in der Harrierstraße lebende Patriot wurde wie alle Rekener Juden auf Druck der Nationalsozialisten ab 1933 systematisch aus dem Dorfleben ausgeschlossen, musste auch „seine“ Feuerwehr im selben Jahr vor seiner folgenden endgültigen Vertreibung verlassen. Durch die Nazis wurde ihm und allen Menschen jüdischen Glaubens in Reken großes Unrecht und ein unmenschliches Schicksal zugefügt.

Die Silberschmidt-Nachkommen Omer Lev, Gadi Aronson, Jair Lev, Rosa Lev, Betty Aronson und Elad Aronson (v.l.n.r.) vor dem Haus in der Groß Rekener Harrierstraße, in dem einmal ihre Vorfahren gelebt haben.

Nachdem es coronabedingt in 2020 bei der Taufe des neuen Löschfahrzeugs auf den Namen „Samuel“ und auch zu Beginn des laufenden Jahres bei der Verlegung von Stolpersteinen nicht mit einem Besuch der Silberschmidt-Nachkommen geklappt hatte, konnten sechs Angehörige der ehemaligen Rekener und jetzt in Tel Aviv und Umgebung lebenden Familie einer Einladung jetzt nachkommen und zu Beginn der zweiten Oktober-Woche in der Mühlengemeinde zu Gast sein. Mit dabei waren Rosa Lev und Betty Aronson, in Argentinien geborene Töchter des Ende der 30-er Jahre nach Buenos Aires geflüchteten Fritz Silberschmidt und Enkelinnen des Jahre später ebenfalls nach Argentinien ausgewanderten Samuel Silberschmidt. Alle zusammen sind sie 1965 nach Israel übergesiedelt.

Betty Aronson (l.) und Rosa Lev (r.) überreichen dem Ersten Beigeordneten Manuel Benning ein Erinnerungsgeschenk an ihren Besuch in Reken.

Mit ihren Söhnen Jair Lev und Gadi Aronson sowie der Enkelin Omer Lev und dem Enkel Elad Aronson schauten sie sich von außen zunächst das frühere Haus ihrer Vorfahren in der Harrierstraße an, wobei der 82-jährigen und erstaunlich gut Deutsch sprechenden Rosa doch ein wenig mulmig wurde: „Ich habe gerade meinen Namen Rosa Silberschmidt auf einem Stolperstein vor dem Haus meiner Großeltern und meines Vaters gelesen. Das hat mich schon etwas erschreckt, obwohl ich natürlich weiß, dass an meine Mutter erinnert wird. Wir sind alle froh, hier sein zu können und von unseren aufmerksamen Rekener Gastgebern so viel über unsere Familie zu erfahren. Vater und Opa haben darüber nie gesprochen, sie waren als ursprünglich sehr stolze Deutsche wohl zu verletzt über ihr Schicksal.“

Wehrführer Jörg Wiesmann (r.) zeigt den Schwestern Rosa Lev (l.) und Betty Aronson (Mitte) das Löschfahrzeug, das zu Ehren ihres Großvaters und Feuerwehr-Reken-Mitbegründers Samuel Silberschmidt vor zwei Jahren auf den Namen „Samuel“ getauft worden ist.

Auch ihre junge, beim israelischen Militär arbeitende Enkelin Omer ist angefasst und aufgeregt: „Ich habe natürlich eine größere Distanz zur Nazi-Vergangenheit meiner Familie. Schön, dass ich die Chance habe, mit meiner Großmutter den Ort kennenzulernen, an dem mein Urgroßvater mit seinen Eltern gelebt hat!“ Weiter ging es für die sichtlich mitgenommenen Gäste am Groß Rekener Gerätehaus der Feuerwehr, wo eine Besichtigung des auf den Namen „Samuel“ (Silberschmidt) getauften Löschfahrzeugs auf dem Programm stand. Wehrführer Jörg Wiesmann überreichte der Familie ein Originalmodell des Fahrzeugs, und Enkel Elad durfte vor den Garagen unter der Anleitung des Wachleiters Georg Holthausen sogar ein kleines Ehrenrunde mit „Samuel“ drehen.

Jair Lev, Gadi Aronson, Betty Aronson, Elad Aronson, Omer Lev und Rosa Lev (v.l.n.r.) auf dem jüdischen Friedhof in Groß Reken am Grab eines ihrer älteren Vorfahren.

Es folgten ein Empfang im Rathaus und eine Begrüßung durch den Ersten Beigeordneten Manuel Benning. Aus den Händen von Rosa Lev und Betty Aronson erhielt er ein Erinnerungsgeschenk, bevor unter der fachmännischen Führung von Ulrich Hengemühle, Georg Meirick und des Heimatarchiv-Leiters Hermann-Josef Holthausen der Gedenkstein zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Synagoge im Eingangsbereich zur Neuen Mitte besichtigt wurde. Zum Ausklang der Rundreise besuchte die Gruppe den jüdischen Friedhof auf dem Kerkenberg, wodurch die Gefühlswelt der Besucher aus Tel Aviv noch einmal stark in Anspruch genommen wurde. Kein Wunder - befinden sich auf dem Friedhof doch gleich drei Gräber von älteren Silberschmidt-Ahnen, denen man Lichter anzündete und mit einem Gebet gedachte. (hh)


12.10.2022